Neue Horizonte? Die IAA 2023 und Europas Autoindustrie im Wandel

12. September 2023
Die IAA 2023 ist vorbei. Beginnt jetzt ein neues Zeitalter für Europas Autoindustrie?

Jahrzehntelang gaben die europäischen Automobilhersteller den Ton an. Doch in der Elektromobilität verschieben sich die Kräfteverhältnisse: Heute sind asiatische Hersteller und US-Überflieger Tesla ernstzunehmende Konkurrenten. Wie steht es um das Rennen in der weltweiten Automobilbranche?

Die IAA 2023 könnte als der Moment in Erinnerung bleiben, in dem die Weichen für die Zukunft der Automobilindustrie neu gestellt wurden. Außereuropäische Autobauer wie BYD und Nio aus China sowie Tesla aus den USA geben zunehmend den Takt vor. Aber deutsche Hersteller stellten unter Beweis, dass ihre Innovationskraft ungebrochen ist – aller Unkenrufe zum Trotz.

Besonders bemerkenswert war der Auftritt der chinesischen Automobilmarke BYD. Mit weltweit über 1,8 Millionen verkauften Elektrofahrzeugen unterstrich das Unternehmen mit seinem großen Messestand seinen Status als Branchenführer. Insbesondere der Dolphin, ein Elektrokleinwagen mit einem Einstiegspreis von unter 30.000 Euro, belegt die Massentauglichkeit von Elektrofahrzeugen. Ein Schlüssel für die aggressive Preispolitik von BYD ist unter anderem die Investition in größere, aber auch kostengünstigere Natrium-Ionen-Batterien neben den herkömmlichen Lithium-Ionen-Akkus.

Der ebenfalls aus China stammende Elektrospezialist Nio präsentierte am Rande der Messe seinen neuen Elektro-SUV ET7 mit einer Reichweite von bis zu 1.000 Kilometern. Interessant ist dabei die Partnerschaft von Nio mit dem deutschen Energieversorger EnBW, die anstelle vom noch immer langwierigen Laden an Säulen den innovativen Ansatz des schnellen Batteriewechsels in Europa vorantreiben könnte.

Deutsche Hersteller innovativ, aber etwas spät dran

Die deutschen Hersteller zeigten in München allerdings, dass sie den Wettbewerb angenommen haben. BMW stellte seine Pläne für die “Neue Klasse” vor – eine Plattform, die den Grundstein für die nächste Generation von Elektrofahrzeugen legen soll. Dabei geht es nicht nur um ein neues Design und die Technik künftiger BMWs, sondern auch um den Einstieg in die Kreislaufwirtschaft und den schonenden Umgang mit Rohstoffen und Ressourcen. 2025 sollen die ersten Serienmodelle auf den Markt kommen. Mercedes-Benz machte Schlagzeilen mit seiner neuen Plattform MMA, die zwar auf den Elektroantrieb ausgerichtet ist, aber weiterhin auch einen Verbrennungsmotor integrieren kann. Und Audi stellte nach langer Zeit wieder ein komplett neues Fahrzeug vor. Die VW-Tochter präsentierte erstmals den Elektro-SUV Q6 e-tron. Er basiert auf der gemeinsamen Software-Plattform von Audi und Porsche. Das SUV war allerdings nur am Pressetag als leicht getarnter Prototyp zu sehen.

Neben den Produktvorstellungen waren die Infrastruktur und die Herausforderungen in Deutschland ein wichtiger Diskussionspunkt. Die deutschen Hersteller äußerten sich unisono besorgt über die steigenden Energiekosten, enorme Bürokratie und eine als “industriekritisch” empfundene Haltung der Öffentlichkeit.

Auch Tesla und Hyundai gaben Einblicke in ihre Strategien. Während Tesla sein Model 3 Facelift präsentierte, kündigte Hyundai an, bis 2025 gleich sechs Elektro-Modelle unter der neuen Submarke Ioniq auf den Markt zu bringen.

Fazit der IAA 2023: Neue Akteure vor allem aus Asien setzen mit ihren Elektroinnovationen das Tempo, doch die deutschen Autobauer schalten in den Aufholmodus. Wie ihre neuen Plattformstrategien die E-Mobilitätslandschaft prägen werden, bleibt spannend. Eins ist jedoch klar: Das Tempo im Markt hat zugenommen und das Rennen ist offen.

Die wichtigsten Take-aways von der IAA:

  1. Flexible Anpassung: Hersteller wie BYD und Tesla haben gezeigt, wie schnell sie sich an veränderte Marktbedingungen anpassen können. Ob es sich um die Einführung neuer Batterietechnologien oder die Reaktion auf den Halbleitermangel handelt – Schnelligkeit und Flexibilität sind entscheidend.
  2. Innovation durch Partnerschaft: Nios Zusammenarbeit mit dem deutschen Energieversorger EnBW unterstreicht, wie wichtig grenzüberschreitende Kooperationen für den Erfolg in der Elektromobilität sind. Durch strategische Partnerschaften können Unternehmen Synergien nutzen und gemeinsame Lösungsansätze für branchenweite Herausforderungen finden.
  3. Proaktiver Umgang mit Herausforderungen: Die Halbleiterkrise hat die Bedeutung einer widerstandsfähigen Lieferkette deutlich gemacht. Während einige Unternehmen von Engpässen überrascht wurden, haben Tesla und andere außereuropäische Hersteller frühzeitig proaktive Schritte unternommen, um ihre Lieferketten zu stärken und Ausfälle zu minimieren.
  4. Neue Geschäftsmodelle ausprobieren: Asiatische und amerikanische Hersteller sind oft bereit, neue Geschäftsmodelle zu testen – sei es Nios Batterietausch-Modell oder Teslas Ansatz zum Teilen von Fahrzeugen. Diese Experimentierfreude kann zu disruptiven Innovationen führen und etablierte Geschäftspraktiken in Frage stellen.