Die Zukunft des Halbleitermarktes

30. Januar 2023
Die Lage auf dem Halbleitermarkt wird sich in diesem Jahr voraussichtlich in einigen Industrien etwas entspannen – aber Experten zufolge startet der nächste Superzyklus schon ab 2025.

Die Halbleiterbranche ist seit jeher ein zyklisches Geschäft: Auf Phasen der Knappheit folgt typischerweise eine Überproduktion der begehrten Mikrochips. Doch in der derzeitigen Engpasssituation scheint alles anders zu sein und Experten zweifeln daran, dass sich der Markt in absehbarer Zeit selbst erholt. Wir werfen einen Blick auf die Zukunft der Branche und überlegen, wie die Knappheit langfristig überwunden werden kann.

EU und USA schnüren Investitionspakete

Die EU plant im Rahmen einer Gesetzesinitiative, dem European Chips Act, 43 Milliarden Euro in den Ausbau der Chip-Produktion innerhalb Europas zu investieren. Das Ziel: den EU-Marktanteil an der weltweiten Produktion bis 2030 auf ein Fünftel zu verdoppeln und die eigene Abhängigkeit von asiatischen Herstellern zu reduzieren. Und auch die USA rüsten mit ihrem US Chips Act kräftig auf: Knapp 53 Milliarden US-Dollar sollen künftig in den Bau US-amerikanischer Fabs fließen.

Experten der Unternehmensberatung McKinsey gehen davon aus, dass die weltweite Halbleiterindustrie in diesem Jahrzehnt jährlich um 6 bis 8 Prozent wachsen wird. Damit knackt sie voraussichtlich schon 2030 die Billionen-Dollar-Umsatz-Marke.

Das System krankt

Homeoffice, KI, Elektroautos: Zahlreiche gesellschaftliche Entwicklungen und Technologietrends führen dazu, dass der Bedarf an Halbleitern auch in den kommenden Jahren weiterhin stark steigen wird. Allein in der Automobilindustrie werden jedes Jahr etwa 13 Prozent mehr Chips benötigt. Und da zahlreiche Branchen mit Just-in-time-Verfahren arbeiten, um Lagerkosten zu sparen, haben sie in Mangelsituationen keinen Puffer. Angebot und Nachfrage müssen also exakt aufeinander abgestimmt sein – sonst drohen Produktionsstopps.

Dieses fein justierte System krankt derzeit. Die Hersteller von Elektrogeräten oder Autos bekommen von den Zulieferern meist ganze Baugruppen geliefert, in denen die Chips bereits integriert sind. Was bei einem ausgeglichenen Verhältnis zwischen Angebot und Nachfrage nach Halbleitern gut funktioniert, kann schon bei kleinsten Erschütterungen der Lieferkette ins Wanken geraten. Und da die Hersteller keinen unmittelbaren Einfluss auf die Chip-Produktion haben, sind sie der Knappheit ausgeliefert.

Die Entspannung der Lage ist nicht von Dauer

Klar ist, dass die Investitionen, die Regierungen und Unternehmen derzeit in den Bau von Halbleiterfabriken stecken, die Marktsituation mittelfristig zunächst entspannen werden. Und das, obwohl viele Unternehmen noch unter den Nachholeffekten leiden werden. Für 2023 wird bereits ein Marktrückgang von etwa 22 Prozent erwartet. Doch schon ab 2025 wird die Nachfrage so stark gestiegen sein, dass die Wirtschaft wieder auf eine Knappheit zusteuert.

Um mit der Digitalisierung Schritt halten zu können, stellen große und mittelständische Unternehmen ihre IT-Infrastruktur zunehmend auf Cloud-Services um. Beim Bau der dafür benötigten Rechenzentren werden riesige Mengen an Halbleitern benötigt. Unternehmen wie Amazon Web Services arbeiten daher meist direkt mit Chipherstellern zusammen, sodass sie bevorzugt beliefert werden. Dies könnte sich allerdings in den nächsten Jahren schon ändern, da AWS gerade an einer eigenen Chip-Produktion arbeitet.

Ein weiterer Grund, warum sich die Lage auf dem Halbleitermarkt langfristig nicht entspannen wird, ist die zunehmende Automatisierung von Fahrzeugen – und für diese neuen Fahrassistenzsysteme werden weitere Chips benötigt. Experten schätzen, dass der Halbleiteranteil pro Fahrzeug von derzeit 712 US-Dollar auf 931 US-Dollar im Jahr 2025 steigen wird.

Unternehmen müssen ihre Lieferketten neu denken

Ob weltpolitische Konflikte, Pandemie oder Investitionsstopps – die Zukunft des Halbleitermarktes ist ungewiss und volatil. Wenn Unternehmen dauerhaft erfolgreich produzieren möchten, müssen sie die eigene Beschaffungsstrategie so resilient wie möglich gestalten. Dafür ist es unerlässlich, Lieferketten neu zu denken. Hersteller müssen die Möglichkeit bekommen, die Chip-Produktion direkt zu beeinflussen, indem sie Kontakt zur Branche erhalten. Sourcing-Experten unterstützen Hersteller nicht nur in Engpasssituationen, sondern können langfristig zu einem stabilen Partner in der Lieferkette werden. Dabei helfen sie den Unternehmen, sich proaktiv auf Knappheit vorzubereiten, eine direkte Verbindung zur Halbleiterbranche aufzubauen und nach alternativen Sourcing-Quellen zu suchen.