Seltene Erden: Neue Herausforderungen für den Halbleitermarkt?

4. August 2023
Der Konflikt zwischen den USA und China könnte die globale Lieferkette für Halbleiter stören und zu weiteren Engpässen führen.

China verschärft seine Exportkontrollen für seltene Erden, die für viele Zukunftstechnologien unverzichtbar sind. Die EU ist stark von chinesischen Lieferanten abhängig und könnte unter den Folgen leiden. Wie können deutsche Unternehmen ihre Beschaffungsstrategie anpassen, um ihre Wettbewerbsfähigkeit nachhaltig zu sichern?

Als Reaktion auf die jüngsten US-Sanktionen erschwert China die Ausfuhr von seltenen Erden. Seit dem 1. August müssen chinesische Unternehmen für den Export bestimmter seltener Erden spezielle Lizenzen beantragen und deren Genehmigung abwarten. Außerdem müssen sie Informationen über die ausländischen Käufer und den Verwendungszweck vorlegen. Die Folgen könnten weitreichend sein, schließlich bezieht die EU 71 Prozent ihres Galliums und 45 Prozent ihres Germaniums aus China. Die seltenen Erden sind wichtige Bestandteile von Halbleitern und damit die Basis für Zukunftstechnologien wie Brennstoffzellen, Elektromotoren, Windenergieanlagen oder Roboter.

Was ist Gallium?

Gallium ist ein chemisches Element mit dem Symbol Ga und der Ordnungszahl 31. Es ist ein weiches, silbrig-weißes Metall, das bei Raumtemperatur schmilzt und daher in seiner reinen Form bei normalen Temperaturen flüssig ist. Aufgrund seiner einzigartigen Eigenschaften, wie der Fähigkeit, bei Raumtemperatur flüssig zu sein, und der hohen Wärmeleitfähigkeit, wird Gallium in vielen technischen Anwendungen eingesetzt.

Was ist Germanium?

Germanium ist ein chemisches Element mit dem Symbol Ge und der Ordnungszahl 32. Es handelt sich um ein silbrig-weißes Metall, das in geringen Mengen in der Erdkruste vorhanden ist. Germanium ist halbmetallisch und zeichnet sich durch seine semikonduktiven Eigenschaften aus. Diese machen es besonders wertvoll für die Elektronikindustrie.

Anwendung von Gallium und Germanium

Gallium und Germanium werden vor allem in der Halbleiterindustrie verwendet. Dabei wird Gallium unter anderem zur Herstellung von Halbleitern, insbesondere von Galliumnitrid und Galliumarsenid, genutzt. Diese Stoffe kommen in hochleistungsfähigen Leistungschips, Radarsystemen und optoelektronischen Geräten zum Einsatz.

Germanium hingegen wird vornehmlich als Halbleiter in Transistoren und Photodioden verwendet. Zudem findet es Anwendung in Infrarotoptiken und Faseroptikkabeln. Beide Elemente spielen eine entscheidende Rolle in vielen modernen Technologien, darunter Solarpanels, Brennstoffzellen, Elektromotoren und sogar Windkraftanlagen oder Roboter.

Riskante Abhängigkeit von China

Weder Gallium noch Germanium sind wirklich selten. Doch China ist das einzige Land, das in den letzten Jahren die teure Förderung und den Export stetig und strategisch ausgebaut hat. Deshalb gibt es kurzfristig kaum alternative Anbieter.

Zwar sind für beide Materialien je nach Anwendung durchaus Ersatzstoffe vorhanden, etwa Silizium. Diese Supplemente führen jedoch in der Regel zu Leistungseinbußen und kosten teilweise deutlich mehr. Für vereinzelte Anwendungsfälle gibt es sogar überhaupt keine Alternativen. Peter Buchholz, Chef der Deutschen Rohstoffagentur, warnte in einem Interview mit der WirtschaftsWoche: Während Gallium sogar in Deutschland als Nebenprodukt der Aluminiumproduktion gewonnen werden könne, gäbe es für Germanium derzeit kaum andere primäre Bezugsquellen. Die Rohstoffagentur habe schon seit Längerem darauf hingewiesen, dass die Industrie dringend andere Lieferquellen erschließen müsse.

Folgt bald eine Exportbeschränkung?

Bei der Gallium- und Germanium-Verordnung handelt es sich gleichwohl nur um eine vergleichsweise sanfte Maßnahme. Denn bisher wurde lediglich angeordnet, dass Exporteure eine Lizenz beantragen müssen. Peking hat aber noch keine Lizenz verweigert und damit einen Export verhindert. China zeigt den USA im aktuellen Handelskonflikt lediglich seine Optionen. Allerdings sprechen Beobachter von einer weit kritischeren Möglichkeit: China könnte den Export von seltenen Erden in naher Zukunft tatsächlich erheblich einschränken. Peking hatte dies vor zwölf Jahren schon einmal für mehr als zwei Monate gegenüber Japan getan. Die Folge waren ein schneller Preisanstieg und hektische Investitionen in neue Quellen.

Neue Herausforderungen für die Beschaffungsstrategie

Beschaffungsstrategie entscheidet über Wettbewerbsfähigkeit

Chinas Marktmonopol bei seltenen Erden ist ein Risiko für die deutsche Wirtschaft, meint die Leiterin des ifo Zentrums für Außenwirtschaft in München, Lisandra Flach. Seltene Erden würden als Rohstoffe mit kritischen Abhängigkeiten eingestuft, weil eine hohe Marktkonzentration hinsichtlich der Anzahl der Zulieferer herrsche. China verfüge über die größten Reserven und sei auch der wichtigste Exporteur weltweit, die deutsche Wirtschaft stark auf Importe aus China angewiesen.

In diesem Kontext können Sourcing-Spezialisten unterstützen. „Viele europäische Unternehmen, die Halbleiter benötigen, gestalten ihre Lieferketten aktuell widerstandsfähiger und verringern ihre Abhängigkeiten“, sagt Kornel Barna, Global Director Supply Chain beim Mannheimer Sourcing-Spezialisten SI Trading. „Es ist ungewiss, wie sich die Lage in den kommenden Monaten weiter entwickeln wird. Optimierte Beschaffungssysteme und ein weitverzweigtes globales Liefernetzwerk stehen daher im Fokus für den Wirtschaftsstandort Deutschland.“