Wenn das Auto zur smarten Plattform wird

18. April 2023
Wird nur noch Gewohnheit sein: die Hand am Steuer. Das selbstfahrende Auto der Zukunft wird mittels Halbleiter zur smarten Plattform.

Autonome Fahrzeuge sind längst keine Zukunftsvisionen mehr. Kameras, Radarsysteme, Sensoren und mehrere Tausend Mikrochips machen Autos zu intelligenten Plattformen und lassen sie selbstständig fahren. Die Forschungs- und Entwicklungsabteilungen der Automobilhersteller arbeiten mit Hochdruck an ihrer Serienreife. Doch was bedeutet das für die Branche angesichts des ohnehin schon angespannten Halbleitermarktes?

In einem Fahrzeug mit Verbrennungsmotor stecken mehrere Hundert Halbleiter, in Elektromodellen sind es etwa 5.000 bis 7.000 Stück. Sie alle steuern den Motor, die Lenkung, die Bremsen und sämtliche Assistenzsysteme – vom Regensensor über den Totwinkelassistenten bis hin zur Einparkhilfe. Soll das Auto, wie im Fall des autonomen Fahrens, auch Signale und Gefahrensituationen erkennen und verarbeiten sowie mit der Cloud und anderen Fahrzeugen kommunizieren, steigt die Zahl der benötigten Mikrochips nochmals massiv an.

Echtzeitdaten werden zur Basis für das Auto der Zukunft

Autonomes Fahren bedeutet Fahren mit smarten Autos: weg vom Fahrzeug hin zur intelligenten Plattform. Dabei werden Funktionen zunehmend zentralisiert und in einer sicheren und resilienten Softwareumgebung ausgeführt. Das reduziert zwar Kosten, Platz, Gewicht und Komplexität, da weniger Steuergeräte notwendig sind. Es bedeutet aber auch, dass die Automobilhersteller eine ungeahnte Menge von Echtzeitdaten auswerten müssen, die durch die schiere Masse an Sensoren anfallen.

Hinzu kommen regelmäßige Software-Updates. Sie sind elementar, um die Sicherheit des autonomen Fahrens jederzeit zu gewährleisten. Werkstattbesuche reichen hierbei jedoch nicht. Vielmehr sind hier Over-The-Air (OTA) Updates gefragt. Diese spielen die Aktualisierungen aus der Ferne ein und sorgen dafür, dass das Auto auch während der Live-Updates stabil bleibt.

Die kontinuierliche Interpretation von Daten durch künstliche Intelligenz (KI), das ständige Lernen der KI und regelmäßige Updates machen selbstfahrende Autos noch sicherer. Sie schaffen zudem die Voraussetzungen für etwas, das noch mehr leistungsfähige Chips fordert: das personalisierte Fahren. Das Auto der Zukunft berechnet dann zum Beispiel den individuellen Verbrauch des Fahrzeugs für die geplante Strecke. Und es schlägt Pausen auf der Route vor, die einerseits zu den Ladezyklen passen, andererseits aber auch den persönlichen Vorlieben des Reisenden für Raststätten oder Aussichtspunkte entsprechen.

Automobilindustrie muss sich vorbereiten

Damit das alles nicht nur Zukunftsmusik bleibt, sondern bald Realität im Straßenverkehr werden kann, etabliert sich auf dem europäischen Kontinent unter anderem eine eigene Halbleiterindustrie. Ihr Ziel ist es, die Abhängigkeit von vorrangig ostasiatischen Produzenten zu überwinden und den hohen Bedarf an Mikrochips selbst zu decken.

Mit dem Fokus auf Radarchips hat sich Europa innerhalb kürzester Zeit zum Marktführer in diesem Bereich entwickelt. Kombiniert mit Kameras oder Lidar-Systemen erfassen Radarchips die Umgebung selbst unter widrigen Umwelteinflüssen. Das macht sie zu wichtigen Bauteilen für das autonome Fahren.

Mit dem autonomen Fahren steigen die Anforderungen an Sicherheit, Komfort und Individualität und damit die Nachfrage nach leistungsfähigen Halbleitern.

Schätzungen gehen davon aus, dass in autonomen Fahrzeugen acht- bis zehnmal so viele Halbleiter verbaut sein werden wie in einem Auto ohne Automatisierung. Mehr Supercomputer als klassisches Auto werden diese Fahrzeuge dann ein neues Maß an Konnektivität fordern – nicht nur innerhalb des Fahrzeugs und seiner Komponenten, sondern auch in der Produktion und den Lieferketten. Automobilhersteller, Softwareanbieter, Halbleiterproduzenten und Zulieferer werden auf völlig neue Weise zusammenarbeiten und strategische Entscheidungen treffen. Zum einen, um die enormen Datenmengen, die jeden Tag entstehen, speichern, sichern, auswerten und einander anschließend zur Verfügung stellen zu können. Und zum anderen, um mit genau diesen Daten und gemeinsamen Infrastrukturen die Lieferketten zu stärken und der gestiegenen Halbleiternachfrage souverän zu begegnen.

Schon heute können sich die Beteiligten darauf vorbereiten und die Chance ergreifen, sich als Vorreiter für die nächste Stufe des autonomen Fahrens zu positionieren.